Zuwendung und Teilhabe

Alte und pflegebedürftige Menschen brauchen Medizin und Pflege auf Top-Niveau, hat Herr Stoiber erklärt. Ich stimme dem zu und möchte dies noch um zwei Punkte ergänzen: Alte und pflegebedürftige Menschen brauchen auch Zuwendung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Was „Medizin und Pflege auf Top-Niveau“ heißt, ist jedoch nicht immer so eindeutig, wie es scheint. Wir haben längst eine Zwei-Klassen-Medizin, die nicht nur vom Geldbeutel, sondern auch nach Nützlichkeitskriterien bestimmt wird. Der amtierende Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder äußerte beispielsweise im Jahr 2003: „Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen.“* Andererseits haben wir die Situation, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass sturzgefährdete Senioren mit so genannten Hüftprotektoren versorgt werden, mit denen im Falle eines Sturzes einem Oberschenkelhalsbruch vorgebeugt werden könnte.

Um für bedürftige Senioren eine menschenwürdige Pflege und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleisten zu können, ist eine bessere Personalausstattung erforderlich. Die Berufe in der Altenpflege müssen von der Politik gesellschaftlich und finanziell aufgewertet werden. Ich setze mich deshalb für einen Mindestlohn für Pflegeberufe und für tarifliche Arbeitsbedingungen in Senioren- und Pflegeheimen und eine entsprechende Refinanzierung durch den Sozialhilfeträger ein. Denn nur motiviertes Personal in ausreichender Zahl kann eine Top-Pflege leisten.

Andreas Wagner

*zitiert nach Der Tagesspiegel vom 03.08.03 (http://www.tagesspiegel.de/politik/div/;art771,1930676)

  3. Juni 2008
 
  Kategorie: Leserbriefe