ÖPNV-Gipfel längst überfällig

Sehr geehrter Herr Präsident!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Bürgerinnen und Bürger!

Wer oft mit dem Zug unterwegs ist oder in einer ländlichen Region wohnt, kennt das: nervige Funklöcher und lahmes Internet. Da macht das Arbeiten und Lernen im Mobile Office beim besten Willen keinen Spaß. Hinzu kommen unzuverlässige und teure Bahnverbindungen sowie nicht barrierefreie Züge und Bahnhöfe, die nicht nur Menschen mit Mobilitätseinschränkung, sondern auch Eltern mit Kinderwagen oft vor Probleme stellen. Während man auf dem Land, froh sein kann, wenn überhaupt ein Bus fährt, wird von der Bundesregierung geduldet, dass Mietwagenunternehmen wie Uber das Taxigewerbe in den Städten kaputtmachen und das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs gefährden. Das kann es ja wohl nicht sein!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Bundesminister Scheuer, was den Ausbau der digitalen Infrastruktur und des öffentlichen Personennahverkehrs betrifft, insbesondere in den ländlichen Räumen, ist noch deutlich Luft nach oben. Die Linke wird daher in den Haushaltsberatungen darauf hinwirken, dass die Weichen richtig gestellt werden. Die Coronapandemie hat gezeigt: Wir brauchen eine deutlich besser ausgebaute digitale Infrastruktur, und wir brauchen eine Verkehrspolitik, die sich an den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen orientiert, den Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt und nicht die Profitinteressen großer Konzerne!

(Beifall bei der LINKEN)

Allein im laufenden Jahr rechnet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen mit pandemiebedingten Einnahmeausfällen von 5 bis 7 Milliarden Euro. Das ist eine enorme finanzielle Belastung sowohl für die Nahverkehrsbetriebe als auch für die Länder und Kommunen. Hinzu kommen zusätzliche Aufwendungen im Bereich des Infektions- und Arbeitsschutzes. Die Kommunen und Nahverkehrsbetriebe werden angesichts sinkender Steuereinnahmen und wegfallender Ticketeinnahmen nicht in der Lage sein, die Einnahmeausfälle ohne Unterstützung des Bundes zu kompensieren. Die im Rahmen des zweiten Konjunkturpaketes von der Bundesregierung einmalig bereitgestellten 2,5 Milliarden Euro halten wir für völlig unzureichend. Herr Bundesminister Scheuer, hier muss deutlich nachgebessert werden!

(Beifall bei der LINKEN)

Damit ist es allerdings nicht getan. Die Kommunen brauchen auch das nötige Geld, um dringend erforderliche Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchführen und das Angebot mit Bus und Bahn ausbauen zu können. Die Bundesregierung muss die Verkehrsbetriebe durch eine auskömmliche öffentliche Finanzierung in die Lage versetzen, mehr Personal einzustellen, um die Arbeitsbelastung der Beschäftigten zu senken und so die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Nur so wird es gelingen, das Personal zu halten und die für den Ausbau des Angebots dringend benötigten zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.

(Beifall bei der LINKEN)

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen und den Beschäftigten in den Verkehrsbetrieben danken, ohne die es ein Angebot mit Bus und Bahn nicht geben würde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche euch viel Kraft und Erfolg in der laufenden Tarifrunde! Solidarische Grüße an euch alle, die heute im Streik sind! Ihr habt mehr verdient als Klatschen und warme Worte!

(Beifall bei der LINKEN)

Und an Sie gerichtet, Herr Bundesminister: Wie wäre es statt eines Autogipfels mal mit einem ÖPNV-Gipfel? Ich finde, ein solcher Gipfel ist längst überfällig. Verkehrspolitik muss alle im Blick haben, auch diejenigen, die sich kein Auto leisten können oder aufgrund des Alters oder aus gesundheitlichen Gründen nicht fahren dürfen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle mobil sind; denn Mobilität bedeutet auch, Freunde, Bekannte und die Familie besuchen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.

(Stephan Brandner (AfD): Wenn die streiken, was dann?)

Unser Ziel ist: ein unschlagbar günstiger, gut ausgebauter, sicherer und attraktiver ÖPNV – für alle, in der Stadt und auf dem Land. Und in den anstehenden Haushaltsberatungen werden wir uns dafür stark machen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

  29. September 2020
 
  Kategorie: Bundestagsreden · Reden