Strafanzeige gegen Schröder

An die
Staatsanwaltschaft Berlin
Turmstr. 91
10559 Berlin

Geretsried, 23.03.2003

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erstatte ich Strafanzeige gegen Herrn Bundeskanzler Gerhard Schröder, Berlin wegen Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen den Irak auf Grundlage von § 80 StGB in Verbindung mit Art. 26 GG.

Begründung:

Am 20.03.2003 um 3.35 MEZ haben Streitkräfte der USA und Großbritanniens ohne völkerrechtliche Legitimation den Irak angegriffen und führen seither Krieg gegen dieses Land. Die USA und Großbritannien haben von Bundeskanzler Gerhard Schröder auf Anfrage ausdrücklich die Erlaubnis erhalten, hierfür ihre militärischen Stützpunkte in Deutschland und den deutschen Luftraum nutzen zu dürfen. Mit dieser Zusage hat die Bundesregierung ausdrücklich die Einbeziehung deutschen Territoriums in die Vorbereitung und Durchführung eines verbotenen Angriffskrieges nach § 80 StGB gestattet und somit die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeigeführt.

I.

Für die derzeitigen gegen den Irak gerichteten Kriegshandlungen der USA und Großbritannien gibt es keine völkerrechtliche Grundlage. Die Charta der Vereinten Nationen verbietet in Art. 2 Ziffer 4 seinen Mitgliedern jede Art der Anwendung von militärischer Waffengewalt. Wörtlich heißt es darin:

“Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.”

Als Ausnahme sieht die Charta der Vereinten Nationen nur das Recht auf Selbstverteidigung (Art. 51) und einen vom UN-Sicherheitsrat autorisierten Einsatz von militärischer Gewalt (Art. 42) vor.

Da der Irak kein anderes Land mit militärischen Mitteln angegriffen hat und ein solcher Angriff nach objektiven Maßstäben auch zu keiner Zeit gedroht hat, liegt ein Fall von Selbstverteidigung oder Nothilfe nach Art. 51 jedoch nicht vor.

Ein Beschluss des UN-Sicherheitsrat über militärische Sanktionen nach Art. 42 liegt ebenso nicht vor. So enthält die UN-Sicherheitsratsresolution 1441 (2002) nach Wortlaut und Entstehungszusammenhang keine Billigung oder Autorisierung des Einsatzes militärischer Gewalt für das von ihr allein verfolgte Ziel einer militärischen Abrüstung des Irak. Erst recht enthält sie keine Rechtfertigung für die militärische Durchsetzung eines Regierungswechsels im Irak.

Auch ein Rückgriff auf frühere Resolutionen des UN-Sicherheitsrats ist nicht möglich. So ist die Resolution 678 (1990) durch die Befreiung Kuwaits schon wegen Zweckerreichung und Zeitablaufs „verbraucht“. Zudem enthielt sie keine Ermächtigung zur Erzwingung eines Regierungswechsels.

Bei den militärischen Handlungen der USA und Großbritannien gegen den Irak handelt es sich folglich um Handlungen, die gegen die Charta der Vereinten Nationen verstoßen und somit völkerrechtswidrig sind.

Zwingende Konsequenz für die deutsche Bundesregierung aus der Völkerrechtswidrigkeit der Militäraktionen der USA und Großbritanniens gegen den Irak müsste die Verweigerung jeglicher Unterstützung oder Mitwirkung an diesem Angriffskrieg sein. Diese Einschätzung wird auch von einem der höchsten deutschen Richter, Dr. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, geteilt:

„Das Grundgesetz verbietet jeder deutschen Regierung, egal welcher Couler, an der Vorbereitung eines Angriffkrieges mitzuwirken. Sollte die US-Regierung einen Krieg gegen den Irak führen, ohne dass sie dazu durch den UN-Sicherheitsrat ausdrücklich ermächtigt wäre, wäre es ein Angriffskrieg und daran dürfte die Bundesregierung, dürfte Deutschland, wie auch andere Staaten, in keiner Weise mitwirken. Weder direkt noch indirekt, weder mit Soldaten noch in sonstiger Form.“ (vgl. ZDF-Magazin Frontal21 am 18.02.2002).

Ähnlich äußerte sich auch der Rechtsexperte Volker Beck (MdB, Bündnis 90/DIE GRÜNEN):

„Die Situation ist rechtlich ganz klar. Wir dürfen unseren Bündnispartnern Überflugrechte und Schutz für ihre Militärbasen, die sich im Einsatz befinden, nur insofern gewähren, wenn es sich um Völkerrecht konformes Verhalten handelt.“ (vgl. ZDF-Magazin Frontal21 am 18.02.2002).

Und auch der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), erklärte bereits im September 2002, dass ein Präventivschlag gegen den Irak ein „Angriffskrieg“ sei und warnte hinsichtlich einer möglichen deutschen Beteiligung: „Es ist immer noch so, dass Angriffskriege nach der Verfassung verboten sind.“ (vgl. die tageszeitung vom 03.09.2002).

Das Verbot der Unterstützung eines Angriffkrieges gegen den Irak ergibt sich aus Art. 25 GG, demzufolge „die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts“ sind und aus Art. 26 GG, der das Führen eines Angriffskrieges von deutschem Boden aus verbietet. Wörtlich heißt es darin:

„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Das Strafgesetzbuch führt dazu in § 80 aus:

„Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.“

Nach Wortlaut des Gesetzes ist zwar nur die Vorbereitung eines Angriffkrieges strafbar. Wenn ein Angriffskrieg jedoch von Verfassung wegen bereits nicht „vorbereitet“ werden darf, so darf nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ein solcher erst recht nicht geführt oder unterstützt werden. Dies ergibt sich auch daraus, dass laut Art. 26 GG nicht nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges, sondern alle Handlungen, die geeignet sind das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen sind. Zu Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, gehört unzweifelhaft auch die aktive Bereitstellung des deutschen Territoriums zur Vorbereitung und Ausführen eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges.

II.

Am 27.11.2002 kündigte der Bundeskanzler zu einer Anfrage der Regierung der USA auf einer Pressekonferenz an:

„Deutschland werde den Vereinigten Staaten und der NATO im Falle eines militärischen Vorgehens gegen den Irak Überflug-, Bewegungs- und Transportrechte gewähren.“ (Website der Bundesregierung vom 27.11.2002)

Diese Zusage hält der Bundeskanzler bis heute aufrecht, obwohl es sich bei dem von den USA und Großbritannien geführten Krieg gegen den Irak unstrittig um einen verbotenen Angriffskrieg nach § 80 StGB handelt. In seiner Argumentation bezieht sich der Bundeskanzler dabei auf „Bündnisverpflichtungen“ im Rahmen der NATO.

Ein am 11.12.2002 von dem CSU-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Uhl beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Auftrag gegebenes Gutachten hält jedoch das Ergebnis fest, dass die Bundesregierung den USA die Nutzung ihrer deutschen Militärbasen und das Überfliegen des deutschen Luftraums im Zusammenhang mit einem Irak-Krieg untersagen darf, wenn eine völkerrechtliche Legitimation nicht vorliegen sollte.

Darüber hinaus handelt es sich bei den Militäraktionen der USA und Großbritanniens gegen den Irak um Handlungen, die mit Art. 1 des NATO-Vertrags nicht vereinbar sind. Dort heißt es:

„Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Frieden, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind.“

Da die USA und Großbritannien gegen den NATO-Vertrag verstoßen, können folglich auch keine Bündnisverpflichtungen abgeleitet werden.

Mit diesem Hintergrund und auf Grund der Tatsache, dass der Bundeskanzler ausdrücklich die Erlaubnis ausgesprochen hat, dass die USA und Großbritannien den deutschen Luftraum und ihre militärischen Stützpunkte in Deutschland für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak nutzen dürfen, handelt es sich bei seinem Verhalten nicht nur um Duldung, sondern um eine aktive Unterstützung von völkerrechtswidrigen, verfassungswidrigen und strafbaren Handlungen.

III.

Als Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland bin ich per Verfassung verpflichtet, die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu beachten und denen daraus erwachsenden Verpflichtungen Folge zu leisten. Da ich in dem oben dargestellten Verhalten des Bundeskanzlers einen Verstoß gegen das Völkerrecht und verfassungswidrige und strafbare Handlung sehe, erstatte ich hiermit Strafanzeige.

Ich bitte um Bestätigung des Eingangs dieses Schreibens und um umgehende Bearbeitung. Soweit Sie für die Strafanzeige nicht zuständig sein sollten, bitte ich Sie, diese an die zuständige Stelle weiterzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Wagner

  23. März 2003
 
  Kategorie: Briefe