Corona-Briefe #9

In meinem Brief an den Bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus Prof. Dr. Michael Piazolo vom 12.03.2021 machte ich deutlich, dass ich halte die Rückkehr zum Präsenz- und Wechselunterricht teilweise ohne Mindestabstand, angesichts steigender Infektionszahlen bei der deutlich ansteckenderen Virusvariante B1.1.7, fehlendem funktionierenden Schnelltestkonzept und nicht lückenlos umgesetzter SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, einschließlich fehlender Filter- und Lüftungsanlagen in Klassenräumen, für nicht verantwortbar halte. Hier der Brief im Wortlaut:

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Herrn
Staatsminister Prof. Dr. Michael Piazolo
Bayerisches Staatsministerium für
Unterricht und Kultus
80327 München

Präsenzunterricht an den bayerischen Schulen und Infektionsschutz

Sehr geehrter Herr Staatsminister,

die Corona-Pandemie stellt uns alle vor große Herausforderungen und ist für Kinder und deren Eltern eine enorme Belastung. Neben der Sorge vor einer Ansteckung und Erkrankung an Covid-19, gibt es die Sorge, dass sich geschlossene Schulen negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirken. Hinzu kommt, dass berufstätige und alleinerziehende Eltern insbesondere von jungen Schülerinnen und Schülern vor der Schwierigkeit stehen, Beruf, Haushalt und die schulische Betreuung zu Hause unter einen Hut zu bekommen.

Gleichzeitig stellt die Pandemie auch für viele Lehrerinnen und Lehrer eine zusätzliche Belastung dar. Neben den neuen Anforderungen hinsichtlich der Organisation und Gestaltung von Distanz- und Wechselunterricht gibt es bei insbesondere älteren Lehrkräften und Lehrkräften mit Vorerkrankungen die Sorge, sich anzustecken und an Covid-19 zu erkranken. Mir wird berichtet, dass Filter- und Lüftungsanlagen vielerorts immer noch nicht installiert sind und FFP2 Masken für Lehrerinnen und Lehrer nicht oder nicht in ausreichender Anzahl vom Dienstherrn zur Verfügung gestellt werden. Eine Priorisierung von Lehrkräften bei der Impfung findet ebenfalls nicht überall statt. 

Laut Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, „steigt seit Mitte Februar die Inzidenz der unter 15jährigen – und zwar sehr rasant“ (Bundespressekonferenz 12. März 2021). In Nürnberg wurde heute entschieden, dass auf Grund der steigenden Inzidenz alle Schulen ab kommender Woche wieder in den Distanzunterricht wechseln.

Auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus heißt es, dass ab 15. März 2021 u.a. folgendes für Grundschulen gilt:

„Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 im jeweiligen Landkreis bzw. in der jeweiligen kreisfreien Stadt findet voller Präsenzunterricht (d. h. auch ohne Mindestabstand) statt.

Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 bis 100 findet Wechsel- bzw. Präsenzunterricht mit Mindestabstand statt.“ 

Ich halte die Rückkehr zum Präsenz- und Wechselunterricht teilweise ohne Mindestabstand, angesichts steigender Infektionszahlen bei der deutlich ansteckenderen Virusvariante B1.1.7, fehlendem funktionierenden Schnelltestkonzept und nicht lückenlos umgesetzter SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, einschließlich fehlender Filter- und Lüftungsanlagen in Klassenräumen, für nicht verantwortbar.

Bei hohem Infektionsgeschehen und ohne ausreichende Maßnahmen des Gesundheitsschutzes ist zu befürchten, dass schnell erneut und ungeplant Quarantänemaßnahmen und die Schließung von Schulen notwendig werden. Ein infiziertes Kind in der Schule kann dazu führen, dass ein Vielfaches an Kindern und Erwachsenen in Quarantäne müssen. Dies und plötzlich verhängte Quarantänemaßnahmen können Kinder und Eltern deutlich stärker belasten, als geplanter aber geregelter Distanzunterricht, der zunächst bis zu Beginn der Osterferien in zwei Wochen für alle eine gewisse Planungssicherheit geben würde. 

Hinzu kommt, dass – auch wenn das Risiko geringer ist als bei älteren Menschen – auch Kinder an Covid-19 erkranken und von langen gesundheitliche Beeinträchtigungen betroffen sein können (Long Covid, Chronisches Fatigue Syndrom). Zudem muss berücksichtigt werden, dass Kinder mit Vorerkrankungen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben oder mit Menschen zusammenleben können, die einer vulnerablen Risikogruppe angehören (Eltern, Großeltern oder Geschwister). Daher dürfen Kinder keinem erhöhten Infektionsrisiko (z.B. Präsenzunterricht ohne Mindestabstand) ausgesetzt werden.

Angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens bitte ich Sie dringend, Ihre Entscheidung, dass die Schulen zum 15. März 2021 wieder in den Präsenz- bzw. Wechselunterricht zurückkehren sollen, zu überdenken.

Berlin, 12. März 2021

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Wagner, MdB

  12. März 2021
 
  Kategorie: Briefe