Corona-Briefe #6

In meinem Brief an den Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz Prof. Dr. Thomas Petri vom 03.12.2020 stellte ich klar, dass ich keine Notwendigkeit sehe, dass Betroffene sensible Gesundheitsdaten gegenüber anderen offenbaren müssen, um glaubhaft zu machen, dass sie aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen ganz oder teilweise vom Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung befreit sind. Ich bat daher den Landesdatenschutzbeauftragten darum, den Sachverhalt zu prüfen und auf eine Rücknahme der entsprechenden Regelungen in der Neunten Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hinzuwirken. Hier der Brief im Wortlaut:

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An den Bayerische Landesbeauftragte
für den Datenschutz
Prof. Dr. Thomas Petri
Postfach 22 12 19
80502 München

Neunte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, hier: Erhöhte Anforderungen an ärztliche Bescheinigung bei Befreiung von MNB-Pflicht

Sehr geehrter Herr Professor Petri,

ich begrüße die Anstrengungen der Länder und des Bundes zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und finde es wichtig, dass sich alle Menschen an die AHA+L Regeln halten, um die Verbreitung des Virus zu bremsen und so Covid-19-Erkrankungen zu verhindern. Ich bin davon überzeugt, dass dies nur gemeinsam unter Mitwirkung jedes einzelnen gelingt.

Gleichzeitig ist aus meiner Sicht auch in der Pandemie außerordentlich wichtig, Gesundheitsdaten zu schützen, damit notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus nicht an Akzeptanz in der Bevölkerung verlieren.

In der Neunten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverord-nung vom 30. November 2020 wurden die Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung zur Befreiung von einer Mund-Nase-Bedeckung (MNB) erhöht. So heißt es in § 2 Nr. 2:

„Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, sind von der Trageverpflichtung befreit; die Glaubhaftmachung erfolgt bei gesundheitlichen Gründen insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, enthält.“

Auch bei Abwägung unterschiedlicher Interessen und Grundrechte sehe ich keine Notwendigkeit, dass Betroffene sensible Gesundheitsdaten (wie eine Diagnose) gegenüber anderen offenbaren müssen, um glaubhaft zu machen, dass sie aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen ganz oder teilweise vom Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung befreit sind. Dies müssten sie jedoch auf Grund der neuen Regelung. Wenn aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung nicht möglich oder unzumutbar ist, muss eine ärztliche Bescheinigung ohne Angabe der Erkrankung und ohne Begründung ausreichen. Wie bei einer Arbeitsunfähigkeits-bescheinigung ist davon auszugehen, dass ein Arzt oder eine Ärztin eine Bescheinigung stets fachlich begründet und nicht aus Gefälligkeit ausstellt.

Entsprechend der neuen Regelung müssten Betroffene durch Vorlage der Bescheinigung mit den geforderten erweiterten Angaben beispielsweise auch gegenüber ihrem Arbeitgeber sensible Gesundheitsdaten offenbaren. Dies ist aus meiner Sicht jedoch objektiv nicht nötig, um eine Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen glaubhaft zu machen. Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass die wenigsten Arbeitgeber die Angaben zu einer Erkrankung in der Bescheinigung beurteilen können.

Es ist zu befürchten, dass Betroffene, die sensible Gesundheitsdaten offenbaren oder nicht offenbaren wollen, Nachteile erleiden und sich aus Angst vor einer Stigmatisierung aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen. Ziel muss jedoch sein, die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben zu fördern.

Die in § 2 Nr. 2 der Neunten Bayerischen Infektionsschutzmaß-nahmenverordnung formulierten erhöhten Anforderungen an ärztliche Bescheinigungen zur Befreiung von einer Mund-Nase-Bedeckung müssen daher nicht nur aus datenschutzrechtlichen Gründen sondern auch zum Wohle der Betroffenen zurückgenommen werden.

Ich bitte Sie, den Sachverhalt Ihrerseits zu prüfen und auf eine Rücknahme der Regelung hinzuwirken. Über eine Nachricht, zu welchem Ergebnis Sie gekommen sind, freue ich mich.

Berlin, 3. Dezember 2020

Freundliche Grüße

Andreas Wagner, MdB

  3. Dezember 2020
 
  Kategorie: Briefe