Weitere Eskalation verhindern

Offener Brief vom 25.06.2022 an die Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen-Miesbach, Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen) und Alexander Radwan (CSU):

Sehr geehrter Herr Abgeordnete,

der Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine ist ein Verbrechen, inakzeptabel und mit nichts zu rechtfertigen! Ich bin mit meinen Gedanken bei den Menschen, die Schutz und Sicherheit brauchen. Eine weitere Eskalation des Krieges trägt nicht dazu bei und muss verhindert werden!

Ich habe mal gelernt: Konflikte entwickeln mit zunehmender Eskalation eine Eigendynamik und mit jeder Vergrößerung der Konfliktarena geraten sie mehr außer Kontrolle. Das lässt sich auch auf militärische Konflikte übertragen und gilt es im politischen Handeln zu berücksichtigen.

Ich bin froh, dass der kalte Krieg zwischen NATO und Warschauer Pakt nicht zu einem heißen Krieg eskaliert ist. Es war eine Politik der Entspannung, Deeskalation und vertrauensbildender Maßnahmen, die zum Fall der Mauer in Deutschland und Europa geführt hat. Dass es so weit kam, konnte sich Anfang der 80er kaum jemand vorstellen.

Genauso, wie von der Bundesregierung ein vernünftiges Pandemiemanagement erwarten werden kann, um die Infektionsdynamik in einer Pandemie zu bremsen, kann von der Bundesregierung ein vernünftiges Konfliktmanagement bei Krieg erwartet werden, um die Eskalationsdynamik zu bremsen.

Niemand muss als einfache Bürgerin & einfacher Bürger mögliche Handlungsoptionen und Sicherheitskonzepte ausarbeiten, was angesichts des Krieges zu tun ist. Dafür gibt es Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplin in den zuständigen Ministerien und Erkenntnisse aus der Friedens- und Konfliktforschung.

Neben einer unmissverständlichen Botschaft an Russland, dass der Angriffskrieg inakzeptabel ist, muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass kein Land an einem weiter eskalierenden Krieg Interesse haben kann und die Menschen in der Ukraine Sicherheit & Frieden brauchen.

Ich erwarte von politischen Entscheidungsträgern, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Einstellung der Kämpfe zu erreichen. Wir brauchen eine diplomatische Offensive auf allen Ebenen und Vermittlungsbemühungen durch an dem Krieg unbeteiligte Drittstaaten. Bitte setzen Sie sich dafür ein. Die derzeitigen Vermittlungsbemühungen des UN-Generalsekretärs António Guterres, sind ein wichtiger Schritt und verdienen Respekt und jede Unterstützung.

Notwendig ist eine massive Aufstockung staatlich finanzierter humanitäre Hilfe, insbesondere zur Versorgung von Schwerstverletzten und traumatisierten Kriegsopfern und ein Notprogramm zur Abmilderung von Kriegsfolgen wie Hunger und Armut in der Ukraine und weltweit.

Ich halte es für einen Irrglauben, zu meinen, dieser Krieg könne gegen die Atommacht Russland gewonnen werden – selbst dann, wenn er Jahre dauert und die Ukraine mit Waffen versorgt wird. Waffenlieferungen mögen hilfreich bei der Bekämpfung und Vernichtung des Feindes sein, sie bringen aber keine Sicherheit!

Ich halte es für besser eine schnelle Einstellung der Kämpfe zu erreichen und den Konflikt einzufrieren, als eine Ausweitung des Krieges wie ein Krebsgeschwür und einen möglichen Atomkrieg zu riskieren, mit unabsehbaren Folgen für die Menschheit und unsere Lebensgrundlagen.

Bei allem Entsetzen, Fassungslosigkeit und Wut über die Bilder und Berichte von Kriegsgreul, die uns erreichen, wir dürfen nicht zulassen, dass der Angriffskrieg von Putin, eine Dynamik entwickelt, die die Existenz des Lebens auf der Erde gefährdet und müssen eine weitere Eskalation verhindern – auch im Interesse der Menschen in der Ukraine. Jedes Kriegsopfer ist eines zu viel!

Erinnert sei an dieser Stelle an den US-Präsidenten Trump und die Stürmung des Capitol. Die Geschichte zeigt: Auch in den USA kann ein Irrer an die Macht kommen. Wenn wir uns von Russland unabhängiger machen, dürfen wir uns nicht in die Abhängigkeit der USA oder arabischer Diktaturen begeben! Präsidenten kommen und gehen …

Ich ermutige Sie, bei den Abstimmungen diese Woche im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ihrem Gewissen zu folgen und nicht der Fraktionsdisziplin.

Freundliche Grüße nach Berlin

Andreas Wagner, ehemaliger Bundestagsabgeordneter

  25. April 2022
 
  Kategorie: Briefe