Corona-Briefe #2

In meinem Brief an den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder vom 28.07.2020 machte ich in Anbetracht zahlreicher Corona-Ausbrüchen bei Saisonarbeitern in der Landwirtschaft und bei Geflüchteten auf die Situation in Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften aufmerksam. Hier der Brief im Wortlaut:

**********

Herrn
Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder
Bayerische Staatskanzlei
Franz-Josef-Strauß-Ring 1
80539 München

Corona-(SARS-CoV-2)-Pandemie und Gemeinschaftsunterkünfte

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

die Corona-Pandemie trifft das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben gleichermaßen und ihre Auswirkungen auf den Alltag stellen uns alle vor große Herausforderungen. Auch wenn die Infektionszahlen seit April auf Grund der getroffenen Maßnahmen zurückgegangen sind, steigt die Zahl der infizierten Menschen derzeit wieder an. Ich halte es daher für sinnvoll und notwendig fortwährend zu überprüfen, welche Maßnahmen sich bewähren und welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zusätzlich notwendig sind und sich umsetzen lassen.

In den vergangenen Wochen kam es mehrfach zu Corona-Ausbrüchen bei Saisonarbeitern in der Landwirtschaft und bei Geflüchteten, die in Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind. Auch die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Starnberg und Dingolfing-Landau waren bzw. sind betroffen. Das Robert-Koch-Institut schätzt das Übertragungsrisiko von COVID-19-Erkrankungen in Gemeinschaftsunterkünften „besonders hoch“ ein, da hier viele Menschen auf engem Raum zusammen leben und Wohn- und Sanitärräume gemeinsam nutzen. Das Risiko ist daher hoch, dass jemand, der sich außerhalb der Unterkunft angesteckt hat, in kürzester Zeit zahlreiche weitere Menschen in der Unterkunft ansteckt, die wiederum andere Menschen anstecken können.

Um den Gesundheitsschutz zu verbessern, das Infektionsrisiko zu reduzieren und so eine Ausbreitung des Corona-Virus zu bremsen, halte ich eine Entzerrung der Wohnsituation in Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften und eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen für sinnvoll und notwendig. Hierzu rege ich an, kurzfristig eine mögliche Nutzung von leerstehenden Zimmern in Gemeinschaftsunterkünften und derzeit freier Gebäude zu prüfen und ggf. zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang halte ich auch eine stärkere Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus für notwendig, um dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen und den Wohnungsmarkt zu entspannen (vgl. Art. 106 Abs. 1 und 2 BayVerf: „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung. Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden“). Zudem halte ich eine Verbesserung des Infektions- und Arbeitsschutzes für landwirtschaftliche Betriebe, die Saisonarbeiter beschäftigen und unterbringen, für notwendig. Nach meiner Auffassung ist es Aufgabe des Staates, Erntehelfer vor Ausbeutung und menschenunwürdigen Arbeits- und Wohnbedingungen zu schützen (vgl. Art. 167 Abs. 1 und 2. BayVerf: „Die menschliche Arbeitskraft ist als wertvollstes wirtschaftliches Gut eines Volkes gegen Ausbeutung, Betriebsgefahren und sonstige gesundheitliche Schädigungen geschützt. Ausbeutung, die gesundheitliche Schäden nach sich zieht, ist als Körperverletzung strafbar“).

Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduzierung des Infektionsrisikos in Sammel- und Gemeinschaftsunterkünften können neben anderen Maßnahmen dazu beitragen, die Zahl der infizierter und an COVID-19 erkrankten Menschen gering zu halten und zukünftig Quarantänemaßnahmen, die immer erhebliche Auswirkungen auf die Betroffenen haben, möglichst unnötig zu machen. Profitieren würden davon auch all diejenigen im näheren Lebensumfeld der Betroffenen (z.B. in Schulen, Freizeiteinrichtungen und Vereinen).

Ich bitte Sie, im Rahmen der regelmäßigen Lagebesprechungen meine Anregung zu prüfen und freue mich über eine Nachricht von Ihnen.

Geretsried, 28. Juli 2020

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Wagner, MdB

  28. Juli 2020
 
  Kategorie: Briefe