Stimmungsmache gefährdet Demokratie

Manche politische Entscheidung geht auch mir nicht weit oder schnell genug. Und manche Entscheidung gefällt mir gar nicht. Jetzt könnte auch ich anfangen, über die „Ampel“ zu schimpfen, zu motzen und gegen die Bundesregierung Stimmung zu machen. Doch was haben die Menschen in diesem Land davon? Wer profitiert davon?

Zur Demokratie gehört, dass es eine Opposition gibt, die Entscheidungen und das Handeln der Regierung hinterfragt, kontrolliert und Maßnahmen mit eigenen Lösungsvorschlägen für die Herausforderungen in unserer Zeit fordert und beantragt. Politik ist kein Selbstzweck und gewählte Abgeordnete sind Volksvertreter, die zu allererst dem Wohle des Volkes verpflichtet sind. Im Mittelpunkt der Politik müssen die Menschen und ihre Sorgen stehen. Aufgabe von Politikerinnen und Politiker ist es, nicht nur die Weichen richtig zu stellen, sondern sich vor allem zu kümmern – und zwar so, dass alle gut Leben können und der gesellschaftliche Frieden und Zusammenhalt gefördert und gestärkt wird.

Ich habe den Eindruck, die Opposition setzt derzeit auf populistische Stimmungsmache statt auf eine sachlich, gerne auch leidenschaftlich geführte Debatte und politischen Streit. Man mag damit vielleicht besser Gefühle ansprechen, sich leichter profilieren, auf der politischen Bühne besser sichtbar sein und an den Stammtischen und im Bierzelt punkten. Sachgerecht und zum Wohle des Volkes finde ich das nicht. Denn den Überbietungswettbewerb „Wer ist der schärfste Kritiker der Ampel?“ gewinnt die extreme Rechte, deren Ziel es ist, die „Altparteien“ – wie sie sagen – als Unfähig darzustellen und sie aus den Parlamenten zu „jagen“.

Das Schwarz-Weiß-Bild („Wir sind vernünftig“ – „Die anderen sind dumm“), das in der politischen Debatte selbst von erfahrenen Politikerinnen und Politikern gezeichnet wird, die Wissen, wie Politik funktioniert, die Wissen, dass die Mehrheitsverhältnisse ausschlaggebend für Verhandlungen sind und wo die Kompromisslinien verlaufen, finde ich gefährlich, weil dieses Bild mit realer Politik nichts zu tun hat, den Menschen etwas vormacht und am Ende zusätzlich Vertrauen zerstört und Politikverdrossenheit fördert.

Populistische Stimmungsmache gefährdet die Demokratie, weil sie Menschen abschreckt, sich politisch zu engagieren. In einem politisch aufgeheizten gesellschaftlichen Klima, in dem man für das Äußern einer politischen Meinung Gefahr läuft, beschimpft, beleidigt oder bedroht zu werden, ist das politische Ehrenamt wenig attraktiv. Demokratie lebt jedoch davon, dass es Menschen gibt, die sich für das Gemeinwohl politisch engagieren – in einer Partei, in einem Gemeinde- oder Stadtrat, als Bürgermeister oder Landrat, in einem Bezirks- oder Landtag, im Bundestag oder Europaparlament.

Um einen weiteren Anstieg der extremen Rechten zu stoppen und sie wieder klein zu schrumpfen, halte ich eine Zusammenarbeit aller Demokratinnen und Demokraten über Parteigrenzen hinweg für dringend geboten und notwendig. Wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, erreichen wir für die Menschen in diesem Land mehr, wenn diejenigen, die sich dafür einsetzen, die Zusammenarbeit suchen, anstatt sich gegenseitig ihre Parteizugehörigkeit vorzuwerfen. Und statt populistischer Stimmungsmache und Profilierungsversuche auf Kosten anderer brauchen wir eine Versachlichung der politischen Debatte, in der das Argument zählt und nicht wer am lautesten ruft!

  3. Januar 2024
 
  Kategorie: Artikel